Faszien: Was ist das?

Weißer Holztisch mit diversen Gegenständen für Wellnessbehandlungen
Jacqueline Schaffrath
Wellness von A bis Z

„Was sind Faszien? Wo befinden sie sich im Körper? Und wie kann ich sie trainieren? Diese Fragen und mehr beantworten wir in unserem großen Wellness-Lexikon.“

Was sind Faszien?

Der Begriff Faszien leitet sich aus dem lateinischen „fascia“ ab und bedeutet soviel wie „Band“, „Verbund“ und „verbinden“. Heute wird das Wort Faszien synonym zum Begriff „Bindegewebe“ verwendet. Faszien sind also Bindegewebsstrukturen, die alle Muskeln und Organe stützen, umhüllen und miteinander verbinden. Faszien werden auch als „Sinnesorgan der Körperwahrnehmung“ bezeichnet. Das Fasziengewebe macht circa 18 bis 25 Kilogramm des gesamten Körpergewichts aus. 

Faszien reagieren auf Stresshormone, aber auch auf mechanische Veränderungen, wie kleine Risse und Mikroverletzungen. Dies kann zu Bewegungseinschränkungen oder schmerzhaften Verhärtungen des Fasziengewebes, zum Beispiel an der Rückenfaszie, führen. Besonders schmerzhaft ist es, wenn die Faszien sich so sehr versteifen und verdicken, dass sie Nerven einengen.

Wo im Körper befinden sich die Faszien?

Faszien reichen vom Oberflächengewebe der Haut bis in die tiefsten Schichten bis zum Skelett. Wissenschaftler sprechen deshalb auch von einem eigenen Organ. Je nach Aufgabe im Körper können Faszien sowohl dehnbar als auch dicht, zug- und reißfest oder weich und lose sein. Aber egal welche Funktion Faszien im Körper erfüllen, sie bestehen immer aus denselben Bausteinen:

Kollagen

Kollagene sind mit 30 Prozent Anteil an den Faszien deren wichtigste Bestandteile. Sie geben dem Menschen – und übrigens auch allen Wirbeltieren – eine feste Form. Kollagene fixieren Muskeln, Sehnen, Knochen, Gefäße und Organe an ihrem Platz. Sie geben Halt, Struktur und Stabilität und heißen deshalb auch Strukturproteine. Sie sind sehr leicht dehnbar, aber dennoch extrem reißfest.

Je nach Körperregion können Kollagenfasern sehr dünn oder mehrere Millimeter stark sein. Sie kommen als flächige Membran vor oder sie verweben sich bis tief in die Muskulatur, wo sie feinste Muskelfasern umschließen.

Am Beispiel einer quer aufgeschnittenen Grapefruit lässt sich die Aufgabe der Faszien gut erklären: Dicht an der Schale umschließt eine weiße Haut das Fruchtfleisch und stabilisiert es. Analog halten im menschlichen Körper die tiefen Faszien die Muskulatur in Form. Diese Schicht ist von zahlreichen Nerven und Blutgefäßen durchzogen und weist in jungen Jahren eine beträchtliche Zugspannung auf – zumindest so lange die kollagenen Fasern straff gespannt sind. Erst mit dem Älterwerden, bei Bewegungsmangel oder bei schlechter Lebensführung gehen die Kollagenfasern buchstäblich „aus dem Leim“. Der Körper verliert seine Spannkraft, wird schlaff und verliert seine bis dahin klar definierte Körperform.

Elastin

Das zweite wichtige Strukturprotein der Faszien ist das Elastin. Im Gegensatz zu Kollagen ist Elastin – wie der Name schon verrät – elastisch dehnbar und verleiht Spannkraft. Für Körperteile, die mechanisch beansprucht werden, ist Elastizität besonders wichtig: Mit ihrer Hilfe können sie sich maximal dehnen, um dann wie ein Gummiband in die Ausgangssituation zurückzuschnellen.

Das elastische Gewebe, das Wasser und Fett speichert, ermöglicht auch die Verschiebbarkeit von Organen. So sorgt es beim Einatmen dafür, dass sich die Lungen weiten und die Organe im Bauchraum nach unten sinken, ohne dass ein Organ die Funktionstüchtigkeit des anderen beeinträchtigt.

Eine Schwangerschaft ist nur deshalb möglich, weil die von Faszien ummantelten Organe im Bauchraum zur Seite gleiten, um dem wachsenden Baby den nötigen Platz zu verschaffen.

Unser Körper besteht zu zwei Dritteln aus Wasser, ein Viertel davon ist im Bindegewebe gespeichert. Vom Wassergehalt eines Menschen lassen sich Rückschlüsse auf die Geschmeidigkeit seiner Faszien schließen: Babys haben einen Wasseranteil von circa 80 Prozent im Körper – alles ist elastisch und fest. Ein Mensch über 70 kommt nur noch auf circa 50 Prozent Wassergehalt im Körper. Die Elastizität der Haut und Glieder wird im geringer, da die faszialen Muskelhüllen ihre Feuchtigkeit verlieren. 

Wenn das fasziale Netz aus der Balance gerät, können verschiedene Beschwerden entstehen. Darunter:

Beschwerden des Bewegungsapparates:

Junge Frau sitzt auf Bett mit Rücken- und Nackenschmerzen
  • Gelenke
  • Haltung
  • Knie- und Hüftprobleme
  • Kiefer
  • Zähneknirschen
  • Kopfschmerzen
  • Rheuma
  • Rücken
  • Schulter-Nacken
  • Steifheit
  • Mausarm,
  • Tennisarm
  • Wachstumsschmerzen

Neurologische Störungen:

Wie kann ich die Flexibilität der Faszien erhalten?

Durch extremen Sport, aber auch durch Bewegungsmangel und Schonhaltungen, emotionale Grundspannungen, Operationen oder Narben können sich die Faszien verkürzen und verhärten. Die Strömungskanäle des Zwischenzellraums verengen sich und die Lymphflüssigkeit kann nicht mehr frei im Körper zirkulieren. Das heißt, die Zellen werden nicht mehr ausreichend versorgt, die Abfallprodukte nicht abtransportiert und das Gewebe übersäuert.

Kommt es dadurch zu einem regelrechten Stau, setzt die Lymphe einen Stoff frei, der eigentlich für die Blutgerinnung bei Wunden zuständig ist: Fibrin. Seine Aufgabe ist es, bei Verletzungen wie ein „Klebstoff“ das Gewebe zusammen zu halten. Die ohnehin schon ruhiggestellten Faszien beginnen zu verkleben und zu verfilzen, verlieren ihre Gleitfähigkeit und lassen so eine Regeneration der Muskelfasern nicht mehr zu. Schmerzen, Steifheit und der Verschleiß von Gelenken und der Wirbelsäule sind die Folge. 

Dagegen helfen Faszien-Trainingsprogramme. Regelmäßige Übungen zum Dehnen und Federn verändern langsam, aber nachhaltig das Gewebe. Länge, Gleitfähigkeit und Stärke der Faszien passen sich den Anforderungen an. 

Wie oft muss ich meine Faszien trainieren?

Mit dem Prinzip der kleinen Schritte – zweimal in der Woche für zehn Minuten federnde, dehnende und belebende Übungen – lässt sich viel erreichen. Und das nicht nur für den guten Zustand der Faszien, sondern für alle Muskeln, Organe, Knochen, Gefäße und Nerven, die es verpackt. Auch das seelische Wohlbefinden verbessert sich, wenn aufgrund biegsamer und flexibler Fazien die Schmerzen in Muskeln und Gelenken nachlassen.

Seit wann spielen Faszien in der Medizin eine Rolle?

Lange haben die Faszien in der Medizin keine Rolle gespielt. Man betrachtete sie als eine leblose Verpackung von Muskeln und anderer wichtiger Bauteile des Organismus. Erst als 2006 eine preisgekrönte Studie der Neurophysiologen und Faszienforscher Dr. Robert Schleip und Dr. Werner Klingler erschien, rückten die Faszien ins Rampenlicht.

Die Bedeutung der Faszien wurde zwar von der Medizin lange vernachlässigt, allerdings gab es schon vor Jahrzehnten Mediziner, die sich mit dem faszialen Netzwerk im Körper beschäftigt haben.

Bereits Andrew Taylor Still (1828-1917), der Begründer der Osteopathie, hatte sich intensiv mit dem Thema Faszien auseinandergesetzt. Er war wahrscheinlich der erste Faszienforscher, der herausfand, dass Faszien den Körper mit Nervenendungen versorgen und als Sinnesorgan einzustufen sind. 

Helene Langevin, eine Neurophysiologin von der Universität Vermont, erforschte, dass sich die meisten traditionellen chinesischen Akupunkturpunkte entlang faszialer Linien befinden. Durch die Einstiche während einer Akupunkturbehandlung reagieren die Rezeptoren, indem sie Signale an das Gehirn und an die Muskeln senden. So werden Verspannungen gelöst und die Lebensenergie kann neu fließen. 

Zu den Pionierinnen gehört in der Erforschung der Faszien die Biochemikerin Ida Rolf (1896-1979). Sie bezeichnete bereits 1971 die Faszien als ein „Organ der Form“. Sie entwickelte einen eigenen Ansatz der manuellen Therapie, bei dem die Faszien im Mittelpunkt standen – die strukturelle Integration. Jahre später wurde ihr eigener Name zum Synonym für diese Methode und ist seitdem darunter bekannt: Rolfing strukturelle Integration. Beeinflusst wurde Ida Rolf dabei von der Osteopathie und Chiropraktik, Yoga, Feldenkrais und der Alexander-Technik. Ida Rolf untersuchte die Wirkung der Schwerkraft auf den Körper und kam zu dem Schluss, dass ein Ungleichgewicht in der Körperstatik und -struktur sich negativ auf das Netzwerk von Muskeln, Bindegewebe, Faszien, Sehnen und Bändern auswirkt. So schrieb sie Verspannungen, Versteifungen und Schmerzen dem Bindegewebe und nicht etwa den Muskeln oder Knochen zu. 

Wie verläuft eine Rolfing-Behandlung?

In der Regel sind zehn Sitzungen, die jeweils circa eine Stunde dauern, ausreichend. Zu Beginn der Behandlung wird sich der Rolfer ein Bild vom Bewegungsmuster seines Patienten im Sitzen, Stehen und Gehen machen. Auch Situationen am Arbeitsplatz, zum Beispiel das Sitzen am Schreibtisch, werden nachgestellt.

Danach wird der Patient auf der Behandlungsliege massiert. Dabei wird mit Händen, Handballen und Ellenbogen zielgenau und dosiert Druck auf das Gewebe ausgeübt. Der Therapeut ertastet Verklebungen und massiert so lange, bis das Gewebe die gewünschte Flexibilität erreicht hat. Zwischendurch wird der Klient immer wieder gebeten, bestimmte Bewegungsabfolgen, wie Aufstehen oder Hinsetzen auszuführen, so lange, bis die richtigen Abläufe verinnerlicht hat.

Damit der Patient sein neues Wissen verinnerlicht, aber gleichzeitig nicht überfordert wird, sollte zwischen den Sitzungen ein zeitlicher Abstand von circa zwei Wochen liegen. Wenn sich nach Beendigung der Sitzungen alte Gewohnheiten wieder einschleichen, reichen in der Regel wenige Stunden zur Auffrischung. 

Generell bietet Rolfing eine gute Chance für eine bleibende Veränderung. Natürlich ist die Ausgangssituation von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Entscheidende Faktoren sind:

Oder auch:

Kombination mit anderen Bewegungstechniken

Fernöstliche Techniken, wie Yoga, Tai Chi oder Qi Gong, begünstigen mit ihren weichen, dynamischen Kraft- und Dehnübungen die Gleit- und Haltefunktion des Faszien. Joseph Pilates, der in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts die nach ihm benannte Bewegungslehre entwickelte, setzte auf das Training langer Muskelketten durch federnde Impulse und dehnende Übungen, die die gesamte Muskel- und Faszienkette stimulieren. 

Das heutige Konzept der Faszien-Fitness setzt sich aus diesen Bewegungstechniken sowie der klassischen Gymnastik zusammen. Ratsam ist es, sich die Übungen zunächst von einem erfahrenen Trainer oder Physiotherapeuten zeigen zu lassen, um ein sinnvolles, persönliches Trainingsprogramm zusammenzustellen. Dafür reicht nach Robert Schleip ein gezieltes Training ein- bis zweimal pro Woche völlig aus. 

Im Netzwerk der Faszien, das den Körper durchzieht, gibt es einige größere Muskel-Faszienketten, sogenannte „myofaziale Zugbahnen„, die gliederübergreifend für Koordination und geschmeidige Bewegungen sorgen. In einem wirksamen Faszientraining sollten Muskelgruppen also niemals isoliert aktiviert werden, vielmehr spielt die „Fernverbindung“ aller Zugbahnen des Körpers eine entscheidende Rolle.

Eigenmassage mit der Faszienrolle

Für die Eigenmassage der Faszien wird eine spezielle Faszienrolle verwendet, auch Blackroll genannt. Sie streckt das fasziale Gewebe, walzt es regelrecht aus und löst dadurch verhärtete Stellen. Die Faszienrolle ist in unterschiedlichen Härtegraden und Größen erhältlich. Anfänger sollten am besten mit einem mittleren Härtegrad beginnen. Man findet auch Blackroll-Bälle speziell für die Füße, Beine, Arme oder Hände. 

Gerade für Anfänger des Faszientrainings eignen sich Rollout-Übungen im Stehen. Dies gilt auch für Menschen, die in den Beinen oder den Hüften nicht so beweglich sind. Beim Rollout für die Lendenwirbelsäule klemmt die Blackroll zwischen Wand und unterem Rücken. Durch einfaches Kniebeugen wird die Lendenwirbelsäule so „ausgerollt“.

Für eine intensivere Faszienarbeit wird das Becken nach hinter aufgerichtet und man macht einen leicht runden Rücken. Dadurch kann man sich kräftiger an die Blackroll andrücken. Wenn man dabei den Oberkörper leicht nach links oder rechts wendet, wird dabei zusätzlich Druck auf die rechte oder linke Seite der Lendenwirbelsäule ausgeübt.

Junge Frau trainiert mit Faszienrolle an der Wand

Bei folgenden Erkrankungen/Indikationen sollte auf das Faszientraining verzichtet werden: